Geowissenschaftliche Madeira Exkursion

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16. März 2019

Ich sehe einen Dike, den Du nicht siehst…

Peter Klink und Sven Gindorf berichten über das geologische Abenteuer zwischen den höchsten Gipfeln Madeiras

Abb.2 Die Route

Höhenverlauf des Wanderwegs

Abb1. Quelle: Outdooractive.com

An diesem Tag ging es hoch hinaus in das bergige Herz Madeiras. Der Treffpunk und Ausgangspunkt der Wanderung lag knapp unterhalb des Gipfels vom Pico Ariero, dem mit 1816 Metern zweithöchsten Berg der Insel. Von hier wollten wir den 1862 Meter hohen und damit höchsten Punkt Madeiras besteigen, den Pico Ruivo. Kühle Morgenluft und ein klarer Himmel empfingen uns freundlich und sorgten für perfekte Ausgangsbedingungen um die Schwärme von Ganggesteinen und pyroklastischen Ablagerungen genauer zu untersuchen.

Bei Beginn der Wanderung merkte man schon, dass es nicht so leicht sein würde wie ein 44 Meter Höhenunterschied zunächst vermuten lässt. So lange man den Weg in die Ferne verfolgen konnte, ging es nur bergab. Genaugenommen lag vor uns ein Abstieg von insgesamt 342 Höhenmetern, bevor der erneute Aufstieg beginnen konnte.

Da dachte jedoch noch keiner dran, denn erstmal wurde der großartige Blick in das Nonnental (Curral das Freiras) tief unter uns, auf die Hochebene Paul da Serra im Westen, den Pico das Torres (1851 m) im Nordwesten und auf die Achada da Teixeira (1592 m) im Norden genossen. Die Schwärme von Ganggesteinen, die als Dikes die Pyroklastischen Schichten durchschlagen oder schichtparalles als Sills verlaufen, waren schlichtweg überwältigend. Hier wurde das Auge nicht satt an Eindrücken und der Spieltrieb des Geologen geweckt.

Ich sehe einen Dike, den du nicht siehst und der ist phonolitisch.

Abb.3 Blick über das Nonnental auf den Pico das Torres, wessen pyroklastische Ablagerungen von Schwärmen aus Ganggesteinen stabilisiert werden. Foto: Sven Gindorf

Den da hinten?
Ja, richtig! 1:0 für dich!

Über gut ausgebaute Stufen ging es immer weiter herab. Bei dem Abstieg durchliefen wir die Grenze zwischen der jüngeren Superior Volcanic Stage, welche die höchsten Gripfelregionen bildet und der darunterliegenden Main Shield Building Stage. An einer engen Passage mit schwindelerregendem Abgrund, bei dem nur ein verrostetes Stahlseil zwischen uns und dem tief eingeschnittenen Nonnental ein Hauch Sicherheit suggeriert, befindet sich der erste Aufschluss den wir uns genauer betrachten.

Abb.4 Lavaflow über Aschetuff bei Miradouro Ninho da Marta. Foto: Sven Gindorf

Es handelt sich um einen etwa 10-20 Meter mächtigen Lavaflow über rötlichem pyroklastischen Material. Das Lavagestein ist von nahezu vertikalen Schrumpfungsrissen durchzogen, wordurch eine in etwa horizontale Fließrichtung indiziert wird. Das unterliegende Material ist ein Aschetuff, in dem vereinzelnd Lapilli und Bomben auftreten. In dem Übergangsbereich zum Lavaflow sind Scoria-Strukturen zu erkennen.

Die Lavagesteine in dieser Region haben überwiegend phonolitische bis thrachytische Zusammensetzung. Makroskopisch können die Gesteine durch ihre hellere Farbe von dem sonst auf der Insel dominierenden Basalt unterschieden werden. Zum Teil kann sogar trachytische Textur erkannt werden- winzige Sanidin Kristalle, die in vulkanischem Glas eingeregelt sind. Phonolith ist überdies an seinem hellen Klang zu erkennen, der bei dem Anschlag entsteht. So hat schon manch ein Geologe auf dem anstehenden Phonolith simple Melodien in diese unwirkliche Landschaft schallen lassen.

Für eine sichere Unterscheidung müssen allerdings geochemische Analysen herangezogen werden. Sehr prominent ist die Unterscheidung von Gesteinsarten über Gewichtsprozent Siliziumoxid vs. Alkalioxide. Im TAS-Diagramm (s.u.) plotten Phonolith und Trachyte bei relativ hohen Alkali- und Silizumanteilen. Diese Signatur kann entweder durch eine Differenzierung während der Evolution der Magma enstanden sein oder durch das Aufschmelzen von silikatischen Sedimenten auf dem Ozeanboden beim Aufstieg der Magma.

Abb.5 Phonolith und Trachyte (rote Markierung) sind im TAS Diagramm mit realtiv hohen Silizium und Alkali Konzentrationen aufzufinden. Quelle: Wikipedia (public domain)

Der Adrenalinfaktor kommt zu einem Höhepunkt, als der Abstieg über das berüchtigte “Razors Edge” bevorstand. Tief durchatmen, nicht in den Abgrund schauen, vielleicht eine kleine Melodie im Kopf zur Ablenkung durchspielen. Dike is Dike, nanananana… hilft alles nichts- wir müssen da rüber! Sprichwörtlich “on the edge” überqueren wir einen schmalen Dike und von Bomben durchzogenen Lapillituff, bis wir am nächsten Aussichtspunkt Pedra Ria wieder mit mehr Fläche unter den Füßen und einer grandiosen Sicht belohnt wurden.

Genaue Betrachtungen des Einfallens der pyroklastischen Schichten östlich und westlich des Aussichtspunktes zeigten, dass wir uns wahrscheinlich in dem ehemaligen Schlot eines Vulkankegels befanden, dessen innere Füllung von Schotter und Lockergesteinen schneller verwitterte, als die umliegenden Tuffe.
Da die bisherige Wanderung sehr anspruchsvoll für Körper und Geist war und wir erst ca. 1/3 der Gipfeltour hinter uns hatten, trennte sich hier ein Teil der Gruppe von uns.

Im weiteren Verlauf ging es steil treppab. Unumgängliche Hindernisse, wie- haltet euch fest- Dikes, wurden einfach mit Tunneln versehen (Abb. 6). Da kam die Frage auf, wie solch ein Aufwand schon vor knapp 200 Jahren mit Schweiß und Handarbeit betrieben werden konnte. Die wahrscheinlichste und traurige Antwort ist Sklaverei.

Abb.6 Wir durchliefen einen Dike. Foto: Sven Gindorf
Abb.7 Peter fungiert als Maßstabhalter, um das Ausmaß der Kalkausfällungen vor dem Pico do Gato zu verdeutlichen. Foto: Sven Gindorf

Vor dem Tunnel Pico Do Gato konnte sehr gut beobachtet werden, wie carbonatübersättigt das aus dem Berg austretende Wasser ist. Strahlend weiße Kalkausfällungen zeugen von einer hohen CO2 Konzentration bei gleichzeitig hohen Konzentrationen an Kalziumionen. Letzteres kommt durch die Verwitterung von mafischen Mineralen und anorthitreichen Plagioklasen, während ersteres durch die Respiration der Pflanzen entsteht, welche die Hänge bewachsen. Einen kleinen Teil dieser Respiration betreibt die auf Madeira endemische Art der Gattung Aeonium, welche wir zu Hauf während unsere Wanderung aus kleinen Felsspalten haben wachsen sehen.

Abb8. Die endemische Aeonium Art Glandulosum // Bild von Thorben Amann

Wer schon einmal Bergabenteuerfilme wie Everest geschaut hat weiß, dass mit einem Wetterumschwung im Verlaufe des Tages nicht zu spaßen ist und daher am Berg nicht zu sehr getrödelt werden sollte. Um allerdings richtig Gas geben zu können, brauchen natürlich selbst die besten Wanderer erstmal Brennstoff, den wir uns in einer kurzen Pause getankt haben.

Abb.9 Selbst die toughesten Wanderer brauchen mal eine Pause. Bild: Sven Gindorf

Während der Pause hat sich ein Wetterumschwung bereits angebahnt und daher war ab der nun kommenden Etappe zum Gipfel ein strammer Schritt angesagt. Zeit für ein paar Fotos und kleine Diskussionen blieb natürlich trotzdem. Im Folgenden ist eine Auswahl der Highlights des finalen Gipfelansturms zusammengestellt:

Abb.10 Diese Prachtbombe zeugt von unterschiedlichen Auswurfereignissen. Die Schichtgrenze ist gut zu erkennen und das durch die Bombe verdichtete Material. Foto: Sven Gindorf
Abb11. Dieses Geschwirr aus Ganggestein wurde liebevoll “der Partydike” genannt und zeigt, wie man hier kaum noch von Sills und Dikes sprechen kann, sondern nurnoch von Gangschwärmen. Foto: Sven Gindorf
Abb.12 Es blieb aufregend bis zum Schluss. Die Sicherung aus Stahlseilen, würde vom TÜV wahrscheinlich nicht abgenommen werden. Foto: Sven Gindorf
Abb.13 Kaum kamen wir auf die Nordseite des Pico das Torres, zog Nebel auf und sorgte für mysteriöse Stimmung in dem Wald aus Baumheide, welcher 2010 Opfer eines gelegten Feuers wurde. Foto: Sven Gindorf
Abb.14 Man kann nicht nur Glück haben… Die gute Aussicht, die wir bereits genossen haben musste uns reichen, denn der Gipfel des Pico Ruivo war von dichtem Nebel umhüllt und außer Madeira Buchfinken war dort oben nichts interessantes zu erspähen. Foto: Sven Gindorf

Beim Abstieg war ersichtlich, dass der Gipfel aus ca. 20 Meter massivem Lavagestein besteht. Diese Decke sorgt als Verwitterungsschutz für die darunterliegenden pyroklasitischen Ablagerungen, welche durch die Schwärme aus Gängen zusätzlich stabilisiert werden.

Mit müden Beinen ging es nach kurzer Pause auf dem Gipfel den gleichen Weg zurück. Die andere Perspektive, die man beim zurücklaufen hatte, sorgte nochmal für neue Eindrücke und angeregte Diskussionen. Der ein oder andere neue Dike wurde entdeckt und stoisch ein Fuß vor den anderen gesetzt, bis alle erschöpft, aber glücklich, zurück am Ausgangspunkt ankamen…