Geowissenschaftliche Madeira Exkursion

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17. März 2019

Maike Artschwager, Rhiannon Breider

Stopp 1 – Machico [MATSCHico]

Den Tag begannen wir an einem Aussichtspunkt über das Tal von Machico. Diese Gegend ist geprägt von Massenbewegungen und Kriechprozessen, die unter anderem mit einem Starkregenereignis 2010 in Verbindung gebracht werden. Von diesem Punkt aus ins Tal von Machico blickend erfuhren wir, warum es gerade in dieser Region häufig zu solchen Prozessen kommt und konnten uns einen Eindruck von den Erosionsbedingungen dieses Standorts verschaffen.

Im besagten Jahr fielen innerhalb von 24 h in dieser Region 300 mm Niederschlag (vgl. Jahresniederschlag Funchal: ~600 mm), was dazu geführt hat, dass sich größere Bodenmassen (im Folgenden als Rutschungskörper bezeichnet) in höheren Regionen hangabwärts bewegt haben. In flacheren Bereichen ist es dadurch zur Ablagerung von Kolluvisolen gekommen. Das Tal von Machico besteht also überwiegend aus Material, welches allochton dorthin bewegt wurde.
Der Starkregen 2010 und auch generell Niederschlag lösen nicht nur eine kurzfristige Bewegung von Bodenmassen aus, sondern begünstigen auch ein langfristiges “Kriechen”. Das bedeutet, dass bestimmte Körper sich mit 1-2 cm/Jahr bewegen (Burton und MacDonald, 2008). Vor allem in den kolluvialen Abagerungen der flachen Hangbereiche können diese Prozesse beobachtet und mittels verschiedener ingenieurgeologischer Laboruntersuchungen und terrestrischem Laserscanning analysiert werden (Schrader, J., 2013) .
Ingenieurgeologen aus Aachen haben die Rutschungskörper kartiert und gezeigt, dass im Randbereich dieser Körper Schäden an Gebäuden (z.B. Setzungsrisse) aufgetreten sind (Schrader, J., 2013). Der Rutschungskörper besteht aus einer Mischung von Bodenmaterial und darunter liegendem Lockergestein.
Die Tatsache, dass die Gebäudeschäden präferenziell an den Randbereichen dieser Körper vorkommen, beruht auf Unterschieden in der Zusammensetzung des Bodens: Steht ein Haus zum Beispiel auf einem Übergang zweier Bodenarten, wovon eine prädistinierter für Rutschungen ist als die andere, so entstehen Risse/andere Schäden, da sich ein Teil des Untergrundes bewegt während der andere stehen bleibt.
Massenbewegungen verändern das Landschaftsbild und haben auch in Machico die Morphologie geprägt. Mehrere Talzungen sind so entstanden und werden durch Bergrücken, die durch Dykes gestützt sind, voneinander separiert. Auf dem folgenden Foto ist ein großes Gebäude (rot markiert) zu erkennen, dass sich zwischen zwei auf solche Art entstandenen Tälern befindet.


Typische Böden Madeiras stellen Vertisole und Andosole (siehe auch: Madeiras Böden) dar. Vor allem Vertisole sind aufgrund ihres hohen Verwitterungsgrades auch durch einen hohen Gehalt an Tonmineralen ( >30% ), hier vor allem Smektiten ( > 70% ) gekennzeichnet.

Smektite gehören zu den 2:1 Tonmineralen und ihre Struktur besteht aus zwei SiO4-Tetraeder- und einer AlO4-Oktaederschicht (TOT).
Bei Smektiten besteht die Möglichkeit der Substitution bestimmter Ionen. So kann 4-wertiges Silizium der Tetraeder durch 3-wertiges Aluminium und 3-wertiges Aluminium der Oktaeder durch 2-wertiges Magnesium substituiert werden, was letztendlich zu einem Ladungsdefizit des Schichtpaketes führt. Je nach genauer Zusammensetzung dieser Schichten sind diese entweder ladungsfrei oder negativ geladen. Ist letzteres der Fall, so wird die negative Ladung durch die Einlagerung von Kationen wie Na+ oder K+ in der Zwischenschicht ausgeglichen.
Weiterhin kann auch Wasser dort eingelagert werden, was dazu führt, dass sich Smektite stark ausdehnen und um ein Vielfaches größer werden (“Quellen”). Ist dieser Vorgang durch Auflast (z.B. durch Gebäude/Infrastruktur) beeinflusst, entstehen nicht unwesentliche Quelldrücke die im extremsten Fall auch eine Quellhebung verursachen können.
Es gibt auch 2:1 Tonminerale, die dieses Verhalten nicht aufweisen, z.B. Illite (K0,65Al2,0Al0,65Si3,35O10(OH)2).

Ein typisches 1:1 Tonmineral ist Kaolinit ( Al4[(OH)8|Si4O10] ), dessen Struktur aus einer Tetraeder- und einer Oktaederschicht (TO) besteht. Die Tetraeder sind in diesem Fall ausschließlich mit Silizium, die Oktaeder ausschließlich mit Aluminium besetzt. Das führt dazu, dass 1:1 Tonminerale keine Quellfähigkeit besitzen, da ihre Schichtladung immer neutral ist und sie nicht in der Lage dazu sind, polare Flüssigkeiten einzulagern.

Smektite sind ein typisches Verwitterungsprodukt von Basalten und Gabbros und bestehen zum größten Teil aus Montmorillonit ((Na,Ca)0,3(Al,Mg)2Si4O10(OH)2·nH2O), welcher reich an Magnesium ist und dadurch die Affinität zu Wasser und dessen Einlagerung (Quellverhalten) nochmals erhöht. Da Madeira überwiegend Basalte vorweist, sind auch entsprechende Tonminerale in großer Menge vorhanden.

Tonige Böden wie der Vertisol sind geotechnisch gesehen sehr ungünstig, da sie dazu neigen, viel Wasser aufzunehmen und es im Falle einer Sättigung zu Kriech-/Gleitprozessen kommt. Die Region um Machico ist durch die Morphologie, das Ausgangsgestein, die Böden und den vielen Niederschlag prädistiniert für Hangrutschungen und Kriechprozesse. Ingenieurgeologische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Vertisole (Probennahme innerhalb der Rutschungskörper) dort ~70% Smektit enthalten, hingegen nur ~7% Kaolinit. Die Wasseraufnahmefähigkeit liegt zwischen 90,4 und 93,8 % (Schrader, J.,2013). Es wurden auch Versuche zur Scherfestigkeit durchgeführt, die gezeigt haben, dass die starke Tendenz zur Quellung Einfluss auf den Reibungswinkel und die Normalspannung ausübt, der auf den Quelldruck zurückzuführen ist (Schrader, J., 2013).
Mithilfe von LiDAR-Technologie (Light Detection And Ranging) konnte die primäre Vorzugsrichtung der Rutschungskörper hangabwärts von Nordost nach Südwest ausgemacht werden und es konnte gezeigt werden, dass sich diese Körper im näheren Einflussbereich von Abflussrinnen befinden (Schrader, J., 2013).

Was tun?

Nachdem verstanden wurde, aufgrund welcher Ursachen es dort so häufig zu Massenbewegungen kommt, hat man Maßnahmen getroffen, um dem entgegenzuwirken. Um etwaige Schäden an Gebäuden oder Infrastruktur durch Quell- und Kriechprozesse zu vermeiden wird der Risikofaktor von zu viel Wasser im Boden minimiert, indem das Wasser durch Drainage-Systeme aus dem Boden abgeleitet wird. Das konnten wir auf dem Weg dorthin (und auch an anderen Tagen an anderen Standorten der Insel) aus dem Auto heraus am Straßenrand beobachten, da an manchen Stellen die Rohre “aus der Wand guckten”.
Eine Möglichkeit der Wasserableitung ist die Y-Drainage, bei der die Rohre so zusammengeführt werden, dass sie ein Y bilden. Das kann man sich so vorstellen (die Straße rechts oder links von dieser Sicht aus):

Skizze: Rhiannon Breider

Stopp 2 – Caniço 

Den 2. Stopp begannen wir am Aussichtspunkt an der “Christo Rei Satue”. Von diesem Punkt aus hatten wir eine Sicht auf den gegenüberliegenden Hang, bei dem eine rote Zwischenlage zu erkennen war. Diese Lage konnten wir aus der Ferne (dank des Exkursionsführers) als einen lateritischen Verwitterungshorizont identifizieren. Laterit ist ein Produkt einer starken und lang anhaltenden Verwitterung, welches man oft in tropischen Klimaten vorfindet. Das lässt darauf schließen, dass einst tropisches Klima auf der Insel geherrscht haben muss. Außerdem kann man daraus folgern, dass es eine lange Pause des Vulkanismus gegeben haben muss, damit so ein mächtiger Horizont entstehen konnte. Das Gestein ist zu einem Laterit stark verwittert und wurde danach von einem jüngeren Lavaflow überlagert. Auf der Skizze kann man die Hang-Wand noch einmal von weiter entfernt sehen. Weiterhin kann man auf der Skizze noch einen Vulkan-Kegel sehen, denn auf diesem wurde das Dorf Garanju errichtet. Dieser Kegel stammt aus der CVM-Phase (Intermediate Volcanic Komplex).

Auf dem Weg zum “Strand Christo Rei” begegneten wir Auswurfmassen der jüngsten vulkanischen Phase CVS2. Diese Auswurfmassen sind zum Teil mit kleinen Störungen durchzogen die zum Beispiel durch Hangbewegungen oder kleine Erdbeben zu Stande kommen. In diesen Störungszonen findet man auch häufig karbonatische Ausfällungen (nicht auf diesem Foto zu sehen). Diese entstehen wenn Wasser, das mit Karbonat angereichert ist, in den Störungsrissen zirkulieren kann.

Störung, Versatzrichtung markiert durch Pfeile – Foto: Rhiannon Breider

Der weitere Weg brachte uns außerdem einen Blick auf einen Lavastrom, der in Scoria endet. Der heiße Lavastrom drückte sich in die Scoria und kam irgendwann zum Stoppen als er langsam erkaltet ist. Auf diesem Bild sind die Depression des Lavastroms sowie karbonatische Ausfällungen zwischen den einzelnen Schichten deutlich zu erkennen.

Lava Strom, der in Scoria endet + karbonatische Ausfällungen – Foto: Rhiannon Breider

Als wir den Strand von Cristo Rei erreichten erhielten wir einen guten Blick auf einen großen Dyke, der sich durch die Pyroklastika geschlagen hat. Am Übergang bildete sich eine Kontaktzone und das umliegende Gestein hat sich leicht verfärbt. Zu einer Kontaktmetamorphose kam es jedoch nicht, dafür scheinen die Temperaturen zu niedrig gewesen zu sein. Nachdem wir ein Gruppenbild mit dem schönen Dyke gemacht haben ging es mit einem Theorie-Block weiter.

Der erste Theorieteil handelte von der Entstehung Madeiras und der Kette von Inseln, die durch die Bewegung der nubischen Platte über eine Anomalie entstanden sind. Die Entstehung der Inseln, bzw. Seamounts geschah in einer Linie. Die Inselgruppe um Madeira (Desertas und Porto Santo) herum entstand nicht in einer Linie, da sie sich in einem kleineren Zeitabstand (<15 Ma) entwickelte. Des weiteren ging es um eine Untersuchung (Ramalho, Ricardo S. et al., 2015) die darauf eingeht, dass viele Inseln des Atlantiks keine Überreste einer “Surtsey-Phase” (Aufstiegsprozess einer Insel durch Seamount-Vulkanismus) zeigen, so auch Madeira nicht. Die Studie hat gezeigt, dass Madeira über den Meeresspiegel gehoben wurde bevor die Vulkanische Aktivität der Insel wieder einsetzte. Dies machte man vor allem an marinen Ablagerungen, die sich zwischen zwei eruptiven Phasen auf 320-430 m über dem Meeresspiegel befinden, fest. Als Grund für die Hebung vermutet man heute vor allem Intrusionen, deren Vorhandensein auch durch die langsame Bewegung der nubischen Platte verstärkt wird.

Im Zweiten Teil ging es vor allem allgemein um Vulkanismus. Wir besprachen welche Arten von Lava es gibt und wie sie sich unterscheiden. Pāhoehoe-Lava ist eine basaltische Lava, die niedrigviskos ist; ʻAʻā-Lava ist hochviskos. Außerdem gibt es noch so genannte Pillow-Lava, die kissenförmige Strukturen ausbildet. Diese Art von Lava entsteht bei schnellen Abkühlungsprozessen unter Wasser.
Des weiteren ging es um die Klassifikation von Vulkaniten, die gut im TAS-Diagramm dargestellt werden können, welches die verschiedenen Gesteine anhand ihrem Gehalt an Na2O & K2O aufgetragen gegen den Gehalt an SiO2 in (beides in wt%) einteilt (siehe unten). Weiteres zur Klassifikation von Vulkaniten findet man auf der Seite Typische Minerale und Gesteine in Vulkangebieten.
Anschießend fuhren wir mit dem Zusammenhang zwischen dem Temperaturgradienten und der Schmelztemperatur im Bezug auf verschiedene Plattentektonische Situationen fort. Die unten aufgeführte Grafik veranschaulichte uns diesen Zusammenhang anhand von zwei Kurven: Temperatur in °C aufgetragen gegen die Tiefe in km. An den Mittelozeanischen Rücken trifft der Geothermische Gradient sehr schnell auf den Solidus (Schmelzpunkt) des Gesteins, da es zu einer Druckentlastung kommt und die Temperatur sehr schnell ansteigt. An einem Hotspot hingegen kommt es erst sehr viel später (tiefer) zu einem Schnittpunkt der beiden Kurven. Bei einer Subduktionszone wird der Solidus verändert. Wasser und CO₂ werden an dieser Zone mit dem Gestein subdukziert und der Schmelzpunkt dadurch heruntergesetzt.

Der Tag endete mit Vorträgen über Vulkane und den Kohlenstoffkreislauf, Vulkane und den Klimawandel, Vulkane und Massenaussterbeereignisse, Vulkane und Lagerstätten und über Vulkane im Sonnensystem.

Literaturverzeichnis:
– Ramalho, R. S. et al. (2015): The emergence of volcanic oceanic islands on a slow-moving plate: The example of Madeira Island, NE Atlantic; Geochemistry, Geophysics, Geosystems; pp. 522-537
– Schrader, J. (2013): Untersuchung von Kriechprozessen in stark plastischen Tonböden auf der Atlantikinsel Madeira; 19. Tagung für Ingenieurgeologie mit Forum für junge Ingenieurgeologen München 2013
– Burton, C.J. and MacDonald, J.G. (2008): A field guide to the Geology of Madeira. Glasgow: Geological Society of Glasgow, pp. 40-48
Wikipedia Eintrag zu Smektiten (zuletzt aufgerufen am (12.04.2019)